Zinsportale: Top-Rendite trotz Zinsflaute?

Schlechte Aussichten fürs Tagesgeld? „Niedrigzinsen und kein Ende […]“, „Die Zinswende ist abgesagt“ und ähnliche Schlagzeilen finden sich derzeit vermehrt in Tageszeitungen, Magazinen und an vielen Stellen im Internet. Mehr als 1% p.a. aufs Tagesgeld ist derzeit kaum zu finden.

Und das auch nur für 3 Monate (siehe Advanzia Bank, Stand 12.05.2019). Wer seine Tagesgeldrendite hoch halten möchte, wird daher insbesondere in der aktuellen Zinsphase schnell zum Zins-Hopper – also zu einem Zinsjäger, der von Neukundenangebot zu Neukundenangebot springt. Zinsportale wie Zinspilot, Weltsparen, check24, Savedo oder neuerdings auch das Zinsportal ZinsMarkt der Deutschen Bank versprechen eine große Erleichterung. Anstelle ständig neue Konten für diversen Banken mit Neukundenangeboten zu eröffnen, den lästigen Postident-Prozess zu durchlaufen und auf die Kontoeröffnung zu warten, bieten die Zinsportale ein zentrales Konto an, das direkt Zugang zu den Angeboten für Tagesgeld, Festgeld, etc. von diversen Banken anbietet. Der Bankwechsel geschieht dabei online mit einem Klick ohne zusätzliche Kontoeröffnung. Der Zinsportalanbieter arbeitet dabei in der Regel mit einer Partnerbank zusammen, welche ein Verrechnungskonto zur Anlage bei den jeweils anbietenden Banken führt.

Zinsportale werben neben dem Komfort der Ein-Konto-Anlage mit sehr attraktiven Konditionen (vgl. zinspilot.de: 1,45% p.a. / 24 Monate, weltsparen.de: bis 2,2% p.a. – je Stand 12.05.2019).

Erfahre in diesem Artikel

  • Wieso du bei Zinsportalen hohe Zinsen aufs Tagesgeld bekommst
  • Wie Länder- und Bankenratings mit der Sicherheit deiner Geldanlage zusammenhängen 
  • Worauf bei der Geldanlage über Zinsportale geachtet werden sollte

Wieso du bei Zinsportalen hohe Zinsen aufs Tagesgeld bekommst

Spätestens seit Filialbanken  immer weniger oder praktisch keine Zinsen auf die Einlagen ihrer Kunden mehr bezahlen, werden die lukrativen Angebote bei Zinsportalen immer attraktiver. Doch warum erhält man bei Zinsportalen so viel höhere Zinsen auf ein Tagesgeldkonto als bei der Hausbank?

allein das aufgenommene Risiko bestimmt die zu erwartende Rendite

Sutor Bank

Zunächst einmal gilt es zu verstehen, dass Einlagen auf Tagesgeldkonten oder kurzfristigen Festgeldern grundsätzlich als Liquiditätsreserve und als risikofreier Anteil im eigenen Portfolio (solange innerhalb der Einlagensicherungsgrenze) zu sehen sind. Der Zinsertrag ist verglichen zu Anlagen im Aktienmarkt oder in Immobilen nicht besonders hoch, jedoch kann das Geld als relativ sicher angelegt betrachtet werden. Bezieht man Inflation, Steuern und Kosten ein, sieht man, dass man am Geldmarkt in den letzten 100 Jahren keine besonderen Renditen einfahren konnte (vgl. Gerd Kommer Invest). Gegenüber der risikofreien Anlage auf dem Tagesgeldkonto bergen Investitionen in den Aktienmarkt Risiken und Wertschwankungen. Dafür wird langfristig statistisch gesehen auch eine höhere Rendite erreicht (vgl. Handelsblatt).

Statistik: Welche Möglichkeiten der Geldanlage nutzen Sie aktuell? | Statista
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

Doch woher kommt nun die höhere Rendite bei Zinsportalen wenn das angelegte Geld auch hier auf einem Tagesgeldkonto angelegt und nicht in den Aktienmarkt investiert wird? Die Antwort lautet: Da Anlagen bei Banken, die hohe Zinsen bieten, meist mit Risiken versehen sind (die auf den ersten Blick nicht ersichtlich sind). Zu solchen Risiken können das Insolvenzrisiko der Anlagebank, eine nicht ausreichende Einlagensicherung, sowie eine schwache Finanzkraft des jeweiligen Heimatlandes der Bank zählen. Beim Eintritt solcher Risiken könnte im Krisenfall die Rückzahlung des angelegten Geldes enorm verzögert werden. Damit bestehen bei EU-Tagesgeldern tatsächlich Risiken, welche die Zahlung höherer Zinsen gegenüber großen deutschen Kreditinstituten rechtfertigen.

Wie Länder- und Bankenratings mit der Sicherheit deiner Geldanlage zusammenhängen

Um die Sicherheit einer Geldanlage auf einer ausländischen Bank einschätzen zu können, muss zuerst ein grundlegendes Verständnis des Bankensystems innerhalb der EU vorhanden sein. Vereinfacht stellt sich dieses wie folgt dar (eine ausführliche Erläuterung findet sich auf biallo.de oder test.de):

  1. zunächst verwaltet und verantwortet die jeweilige Bank, bei der die Geldanlage liegt die Einlagen
  2. fällt die Bank aus (z.B. durch Insolvenz), greift die jeweilige nationale Sicherungssystem des Landes, in dem die Bank ansässig ist (und ggf. freiwilige Sicherungssysteme)
  3. verfügt das nationale Sicherungssystem über nicht genügend Geld, so kann der Staat einspringen und die Anleger entschädigen

Dieses, vereinfacht dargestellte System erweckt zunächst den Eindruck von hoher Sicherheit – kann die Bank die Einlagen nicht zurückzahlen, greift die Einlagensicherung und im Notfall immernoch der jeweilige Staat. Doch wie sicher sind nun Tagesgelder bei einer bestimmten EU-Bank?

Das Risiko, dass die Bank die Einlage nicht zurückzahlen kann

Zunächst muss der wirtschaftliche Zustand der jeweiligen Bank betrachtet werden, bei der das Geld angelegt werden soll. Verschiedene Ratingagenturen prüfen kontinuierlich die Bonität der einzelnen Kreditinstitute und stellen ihre Erkenntnisse in Form von Ratings zur Verfügung. Je schlechter das Rating, desto spekulativer erscheint die Anlage bei einem Kreditinstitut. Grundsätzlich spricht man von zwei Bonitätsstufen, die sich in eine Vielzahl von detaillierteren Einzelratings aufteilen (siehe tagesgeldvergleich.net – Rating und Bonitätsstufen): Investmentgrade und den spekulativen Bereich.

Einige der Banken auf Zinsportalen befinden sich bereits am unteren Ende des Investmentgrade, manche sogar schon im spekulativen Bereich. Wer Geld bei Banken mit einem Rating im spekulativen Bereich anlegt, muss sich darüber im Klaren sein, dass Zins- und Tilgungszahlen nicht gesichert sind und die höhere Rendite der Anlage mit dem Aufnehmen dieses Risikos einhergeht.

Eine gute Übersicht über die einzelnen Bankenratings von über 190 Banken mit Stand März 2018 findet sich auf tagesgeldvergleich.net.

Das Risiko, dass der Einlagensicherungsfonds nicht zurückzahlen kann

Zwar wird im Rahmen der EU-Richtline 2014/49/EU der Aufbau einer gesetzlichen Einlagensicherung angestrebt, nach der EU-Staaten bis 2024 einen finanzstarken Einlagensicherungsfonds (Aufbau einer Kapitalhöhe von 0,8% der gedeckten Einlagen) aufbauen müssen, um so bis zu 100.000€ pro Anleger absichern und innerhalb von 7 Tagen (derzeit 20 Tage) zurückzahlen zu können. Zudem wird die Auszahlung nicht mehr auf Antrag gewährt sondern über das Einlagensicherungssystem ermittelt und angewiesen (siehe Bundesfinanzministerium). Für Welche Länder diese Einlagensicherung gilt, lässt sich hier herausfinden. Dennoch stellt dies keine gemeinsame europäische Einlagensicherung dar, da die Fonds jeweils auf Landesebene umgesetzt werden.

Zudem befinden sich einige Einlagensicherungssysteme derzeit noch im Aufbau. Stand Dezember 2018 zweifelt Stiftung Warentest an, dass die Einlagensicherungsfonds von Ländern wie Bulgarien, Lett­land, Malta und Rumänien eine ausreichende Finanzstärke aufweisen, um Anleger in einer Bankenkrise zeitnah entschädigen zu können (siehe test.de).

Die vorgeschriebene Kapitalhöhe von 0,8% der gedeckten Einlagen hatten im Mai 2018 erst 17 der 43 nationalen Sicherungsfonds der jeweiligen EU-Länder erreicht (siehe EBA). Der aktuelle Stand des Aufbaus der nationalen Sicherungsfonds lässt sich auf der Seite der European Banking Authority in Erfahrung bringen.

Das Risiko, dass der Staat nicht einspringen kann

Wenn die Einlagensicherung versagt, bleibt als letzte Instanz lediglich eine staatliche Hilfe bei der Rückzahlung an die jeweiligen Anleger. Doch für die Entschädigung muss der Staat der Krisenbank über ausreichend Finanzmittel verfügen. Das Risiko, dass die Bonität des Staates der Tagesgeldbank nicht ausreichend ist, lässt sich ebenfalls über die Ratings von Ratingagenturen ermitteln. Eine Liste mit den Bonitätsratings der wichtigsten Länder mit Stand März 2019 lässt sich auf tagesgeldvergleich.net finden. Ein Blick auf die Liste verrät, dass die Länderratings einiger Banken, die in Zinsportalen gelistet sind, am unteren Ende der Investmentgrade Stufe stehen. Finanztest nimmt daher nur Banken in ihre Vergleiche auf, deren Staaten von den Ratingagenturen nur hohe Ratings für ihre Wirtschaftskraft erhalten. Welche das mit Stand Mai 2019 waren, kann einfach über test.de abgerufen werden.

Was passiert, wenn der Staat über keine ausreichende Bonität und der Einlagensicherungsfonds nicht über ausreichend Substanz verfügt, zeigt das Beispiel der bulgarischen Corporate Commercial Bank. Die Bank wurde im Juni 2014 geschlossen, die Entschädigung an die Anleger erfolgte erst im Dezember – nach Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens der EU.

Auch die Anleger bei der lettischen Parex Bank (2010), sowie die Anleger der isländischen Kaupthing Edge (2008) erhielten trotz bestehender Einlagensicherung keine zeitnahe Rückzahlung ihrer Einlagen. Das zeigt wie real das Risiko eines Ausfalles ist. Eine Zusammenstellung von Bankenpleiten in Europa lässt sich hier abrufen.

Worauf bei der Geldanlage in Zinsportalen geachtet werden sollte

Die Zinsportale werben mit hoher Sicherheit der Einlagen und Vorselektion von Ländern mit hohen Bonitätsrankings. Dennoch werden Banken aus Ländern beworben deren Bonität und Einlagensicherung von Stiftung Warentest als riskant angesehen werden. Wer den Renditevorteil auf Zinsportalen ausnutzen und das Risiko einer Entschädigungssituation möglichst gering halten möchte, wird eine ausführliche Recherche und Beurteilung der Angebote nach persönlichen Präferenzen und der individuellen Risikoverträglichkeit nicht vermeiden können.

Diese Punkte sehe ich mir an, bevor ich Geld über ein Zinsportal anlege:

  • Produktdetails/Produktinformationsblatt (insbesondere: Anbieter und Land, Länderrating, Mindesteinlage, Höhe der Einlagensicherung, Risikohinweise [Insolvenzrisiko, Kursrisiko, Währungsrisiken, …], Produktbeschreibung, Zinslogik, Steuerinformationen, Verfügbarkeitsinformationen)
  • Letztes Rating bekannter Ratingagenturen für die Bank (z.B. hier)
  • Letztes Rating bekannter Ratingagenturen für das Anlageland (z.B. hier oder hier)
  • Befindet sich die Bank auf der Blacklist Finanztest? (hier)
  • Abgleich meiner Anlagesumme mit der jeweiligen Einlagensicherung (z.B. hier oder im jeweiligen Produktinformationsblatt)

Mit diesen Schritten lässt sich zwar das Risiko eines Ausfalles der Bank nicht eliminieren, aber zumindest reduzieren.

Natürlich stellen die obigen Prüfschritte lediglich meine individuellen Faktoren dar, welche ich zur Anlageentscheidung verwende. Andere Anleger setzen möglicherweise andere Kriterien an. Die Bewertung solcher Risiken ist immer zu einem gewissen Grad subjektiv und hängt von verschiedenen, persönlichen Umständen ab.

Fazit

Wo Spekulation anfängt und wie viel zusätzliches Risiko für ein paar Zehntel Prozent mehr Zinsen bei einer eigentlich risikofreien Geldanlage wirklich sinnvoll ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Wem die intensive Auseinandersetzung mit möglichen Risiken zu viel ist, der ist mit Sicherheit beim Bankberater oder Finanzberater besser aufgehoben.

Wie immer gilt: Investiere nur, wenn du das Produkt vollständig verstanden hast.